Veranstalter:
Website der Messe Berlin
Datum der Veranstaltung:
3-5 März 2026
ITB - The Travel Network
3-5 März 2026
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„Schengen ist der Schlüssel zur Reisefreiheit in Europa“

60 Years of Stories: Die ITB Berlin blickt auf Meilensteine der globalen Reisegeschichte zurück – wie das Schengener Abkommen von 1985, das seit 1995 freie und grenzenlose Reisen in Europa ermöglicht

Martina Kneip mit verschränkten Armen und in die Kamera blickend.

© Martina Kneip

Am 14. Juni 1985 wurde an Bord eines Luxemburger Ausflugsschiffs in Schengen ein Dokument unterzeichnet, das Europa grundlegend verändern sollte: das Schengener Abkommen. Was anfangs wie eine unscheinbare Unterzeichnung erschien, wurde zehn Jahre später zu einer der bedeutendsten Errungenschaften europäischer Zusammenarbeit. Mit dem Wegfall der Grenzkontrollen im Jahr 1995 wurde das Reisen einfacher, spontaner und für Millionen Menschen zu einem selbstverständlichen Teil ihres Alltags.

Martina Kneip, Leiterin des Schengen-Museums in Luxemburg, erlebt täglich, wie sehr Menschen aus aller Welt die Offenheit zwischen den europäischen Ländern schätzen – und wie eng die Geschichte des Reisens mit der Idee eines grenzenlosen Europas verwoben ist.

Was bedeutete die Unterzeichnung des Abkommens 1985 für Sie – damals und heute?

Obwohl das Schengener Abkommen bereits 1985 unterzeichnet wurde, spielte es in den folgenden zehn Jahren zunächst kaum eine Rolle – auch für mich persönlich war dieser Moment damals wenig greifbar. Die Unterzeichnung fand in einem sehr kleinen Rahmen statt, auf einem Ausflugsschiff hier in Schengen, das heute Teil unseres Museumserlebnisses ist.

Dass nicht hochrangige politische Führungspersönlichkeiten, sondern „nur“ Staatssekretäre der fünf Gründungsstaaten – Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande – unterzeichnet haben, zeigt rückblickend, wie ungewiss die Erfolgsaussichten des Abkommens damals waren. Erst mit der Unterzeichnung des Schengener Durchführungsübereinkommens im Jahr 1990 und dem Inkrafttreten 1995 nahm das Abkommen konkrete Formen an.

Ich selbst habe über viele Jahre hinweg regelmäßig die Grenzen von Luxemburg über Frankreich nach Deutschland überquert und war daher unmittelbar mit den praktischen Auswirkungen des Abkommens konfrontiert. Die Abschaffung der Grenzkontrollen brachte erhebliche Erleichterungen und Zeitersparnis und hat damit auch mein persönliches Erleben europäischer Integration geprägt.

Heute jedoch ist das Schengener Abkommen aus dem Alltag der Europäerinnen und Europäer nicht mehr wegzudenken. Es steht wie kaum ein anderes Projekt für die Freizügigkeit innerhalb Europas und zählt zweifellos zu den bedeutendsten Errungenschaften der Europäischen Union.

Ein Straßenschild umrahmt von einem Polaroid-Bilderrahmen und Häuser im Hintergrund.

Auf der ITB Berlin 2026 feiern wir 60 Jahre Förderung der europäischen Verbundenheit und des kulturellen Verständnisses. © ITB Berlin

Welche Rolle spielte das Abkommen für den europäischen Tourismus?

Reisen in andere Länder bedeutet immer auch, Grenzen zu überschreiten – im wahrsten Sinne des Wortes. Für Europa, genauer gesagt den Schengen-Raum, dem neben den meisten EU-Mitgliedstaaten auch vier Nicht-EU-Länder angehören, ist dies heute so einfach wie nie zuvor. Durch den Wegfall von Grenzkontrollen wurde das Reisen deutlich erleichtert und unkomplizierter gestaltet. Vor allem Kurztrips in Nachbarländer lassen sich inzwischen spontan und ohne großen Zeitaufwand unternehmen – eine Freiheit, die wir heute ganz selbstverständlich nutzen. Für Besucherinnen und Besucher aus Nicht-EU-Staaten bringt das sogenannte Schengen-Visum zudem einen enormen Vorteil: Anstelle zahlreicher einzelner Visa genügt nun ein einziges, das den Zugang zu 29 Ländern ermöglicht – ein echter Meilenstein.

Gab es in Ihrem Leben eine spontane Reise oder ein besonderes Erlebnis, das nur durch die offene Reisefreiheit möglich wurde?

Ich lebe im kleinen Luxemburg – einem Land, in dem Grenzen zum Alltag gehören. Egal, wo man sich befindet, die nächste Landesgrenze ist meist nur wenige Minuten entfernt. Für uns ist es völlig normal geworden, regelmäßig zwischen Ländern zu pendeln – sei es zum Arbeiten, Einkaufen, für Behördengänge oder einfach zum Besuch bei Freunden.

Meine Kinder besuchten das deutsch-luxemburgische „Schengen-Lyzeum“, eine Schule auf deutschem Staatsgebiet. Der tägliche Schulweg über die Grenze wäre mit systematischen Grenzkontrollen kaum vorstellbar gewesen. Was bei uns zur gelebten Normalität gehört, gilt auch für viele andere Menschen in europäischen Grenzregionen: Das Hin- und Herreisen ist alltäglich, spontan und unkompliziert – ganz ohne große Vorbereitungen oder bürokratische Hürden.Auch darüber hinaus hat sich das Reisen verändert: Früher waren Auslandsreisen mit Aufwand und langen Wartezeiten an Grenzen verbunden. Heute hingegen ist es selbstverständlich, einfach ins Auto, den Zug oder das Flugzeug zu steigen und in ein anderes Land zu fahren – sei es für einen Wochenendtrip, einen Geschäftstermin oder einen Kurzurlaub.

Diese neue Reisefreiheit ist ein direktes Ergebnis des Schengener Abkommens – und wir merken oft gar nicht mehr, wie viel Freiheit und Lebensqualität damit verbunden ist, weil sie für uns ganz selbstverständlich geworden ist.

Was bedeutet „Schengen“ für Sie – in einem Satz?

Schengen ist der Schlüssel zur Reisefreiheit in Europa – eine Errungenschaft, um die uns viele weltweit beneiden.

Wie haben Sie die zeitweise Wiedereinführung von Grenzkontrollen während der Pandemie erlebt?

Die zeitweise Wiedereinführung von Grenzkontrollen – etwa während der Pandemie – hat vielen Menschen vor Augen geführt, wie wertvoll die offenen Grenzen in Europa tatsächlich sind. Was zuvor oft als selbstverständlich galt, wurde plötzlich vermisst. Diese Erfahrung hat zum Nachdenken angeregt – über Freiheit, Mobilität und den Wert europäischer Zusammenarbeit. Auch wir im Museum haben das gespürt: Plötzlich interessierten sich wieder mehr Menschen für „Schengen“ – für die Geschichte, die Idee dahinter und die Bedeutung für ihren eigenen Alltag. Es kamen viele neue Gäste, weil sie spürten, dass etwas auf dem Spiel stand. Gerade diese Reaktion gibt mir Hoffnung. Denn sie zeigt, dass der europäische Gedanke lebt – und dass seine Errungenschaften nicht nur geschätzt, sondern auch verteidigt werden wollen.

Wie blicken Sie auf die Zukunft der Reisefreiheit?

Ich bin zuversichtlich und hoffe zugleich, dass die Verantwortlichen erkannt haben, was auf dem Spiel steht. Wenn wir das Reisen in andere Länder weiterhin stärken und die europäische Idee lebendig halten wollen, dann darf es keinen Weg zurück zu dauerhaften Grenzkontrollen geben. Gleichzeitig sehe ich Risiken, insbesondere durch nationalistische Strömungen, die in einigen Ländern – vor allem auf politischer Ebene – wieder an Einfluss gewinnen. Solche Entwicklungen bedrohen nicht nur die praktische Reisefreiheit, sondern auch das gegenseitige Verständnis der Menschen auf beiden Seiten der Grenzen.

Grenzen trennen nicht nur geografisch, sondern auch mental. Umso wichtiger ist es, die Errungenschaften des Schengen-Raums zu schützen und weiterzuentwickeln für ein offenes, solidarisches Europa.

In Ihrer Arbeit im Schengen Museum begegnen Ihnen sicher viele Besucher:innen mit ganz unterschiedlichen Geschichten – welche Art von Erlebnissen oder Kommentaren hören Sie dort besonders häufig?

Am häufigsten melden sich ausländische Gäste bei uns, die beeindruckt davon sind, wie nah und selbstverständlich hier die Grenzen zwischen den Nachbarländern überwunden werden. Viele erzählen, dass sie das so aus ihrer Heimat nicht kennen – für sie ist diese Offenheit etwas ganz Besonderes.

Im Museum haben wir eine Feedback-Wand, an der Besucher- und Besucherinnen ihre persönlichen Schengen-Erfahrungen teilen können oder uns in wenigen Worten erzählen, was für sie der „Spirit of Schengen“ ist. Dort wird immer wieder betont, wie sehr die Reisefreiheit geschätzt wird, aber auch, wie zerbrechlich dieses Privileg ist. Besonders bewegend sind die Geschichten von Menschen, die nicht in einer offenen Welt aufgewachsen sind. Ihre Beiträge sind oft sehr emotional und zeigen, welchen tiefgreifenden Unterschied grenzenlose Freiheit im Alltag machen kann.

60 Jahre ITB Berlin – 60 Jahre globale Reisegeschichten: Seit 1966 gestaltet die ITB Berlin mit Neugier, Leidenschaft und der Überzeugung, dass Tourismus Brücken baut, die Welt des Reisens mit. Die ITB Berlin wirft einen Blick auf prägende Momente – von ihren ersten Schritten über die Einführung des Euro bis hin zu bahnbrechenden Plattform-Revolutionen.Hier finden Sie weitere Informationen zum 60-jährigen Jubiläum .

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